SIBYLLE RIED PRIZE

Sibylle_Ried-Preisträger 2015
Thomas Mayer (DGfE), Marion Witt,
Günter Krämer (Jury), Heinz Bühler (Michael Foundation)
Marion Witt
Hans König

SIBYLLE RIED PRIZE – Award Winner 2015

The SIBYLLE RIED PRIZE 2015 was awarded to

Marion Witt and Hans König

for the theater play “Steile Welle”

[Sorry, laudation only in German]

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Witt

Auch im Namen der anderen Mitglieder des Preisrichterkollegiums, Ingrid Coban aus Bielefeld und Gerd Heinen aus Berlin, sowie in beratender Funktion Dr. med. Matthias Ried, dem Bruder der Namensgeberin des Preises, und natürlich auch der durch Herrn Dr. Heinz Bühler vertretenen Stiftung Michael, freue ich mich sehr, Frau Marion Witt und Herrn Hans König, der leider nicht zur Preisverleihung kommen konnte, den Sibylle Ried Preis 2015 überreichen zu dürfen.

Der seit 2001 hiermit zum siebten Mal vergebene Preis ist mit 2.500 € dotiert, darüber hinaus erhalten die ausgezeichneten Personen eine Urkunde. Das Preisgeld wird durch Zinserträge der Sibylle-Ried-Zustiftung bei der Stiftung Michael zur Verfügung gestellt, zu der neben verschiedenen Pharmafirmen auch der frühere Blackwell Wissenschafts-Verlag (der „Haus“-Verlag von Frau Ried), die Familie Ried und andere Privatpersonen sowie die Stiftung Michael beigetragen haben. Er wird alle zwei Jahre anlässlich der gemeinsamen Jahrestagungen der Deutschen und Österreichischen Gesellschaften für Epileptologie und Schweizerischen Liga gegen Epilepsie vergeben. Er richtet sich an alle Berufsgruppen und alle Formen von Publikationen, dokumentierten Aktivitäten und Methoden, deren Ziel eine Verbesserung der Betreuung von Menschen mit Epilepsie und ihrer Lebensbedingungen ist. Bis zur Vergabe 2011 bestand das stimmberechtigte Preisrichterkollegium aus Frau Gisela Schüler, Herrn Rupprecht Thorbecke und mir.

Marion Witt ist eine 1966 geborene freischaffende Künstlerin mit Aktivitäten als Figurenspielerin, Schauspielerin; Regisseurin, Autorin und Dozentin. Sie hat 1993 an einer Pädagogischen Hochschule das Erste Staatsexamen in den Fächern Pädagogik, Biologie, Geographie und Physik absolviert. 1996 schloss sie eine Ausbildung zum Figurenspiel am Figurentheatercolleg Bochum ab und ist Mitgründerin des Theaters „compania t“ (http://www.compania-t.de/kurse/marion-witt/). Der Schwerpunkt ihrer Inszenierungen für Kinder und Erwachsene liegt in der Dramatisierung von literarischen Vorlagen und zeitgenössischen fantastischen Geschichten. Marion Witt begreift Theater als Möglichkeit, die gesellschaftliche Wirklichkeit mit dem Medium Theater zu betrachten und zu hinterfragen. Der Stil der Inszenierungen orientiert sich an den Inhalten und ihren Bedeutungen. Alle Inszenierungen verbindet der spartenübergreifende Ansatz. Die Bereiche Schauspiel, Figurenspiel, Tanz und Musik fließen ineinander. Gastspiele haben sie auf zahlreiche Festivals und Tourneen geführt, Kooperationen mit anderen Theatern und Institutionen, Gastregien und Ausstattungsaufträge ergänzen die eigene Theaterarbeit. In den letzten Jahren übernimmt sie zudem vermehrt Lehrtätigkeiten. Sie lebt mit ihrer Familie in Bremen.

Hans König ist ein 1962 geborener freischaffender Künstler. Sein autodidaktischer Berufsweg begann mit künstlerischen Produktionen im 17. Lebensjahr. Zunächst war er als Liedermacher unterwegs, seit Mitte der 80er-Jahre ist er als Regisseur, Autor, Dozent, Darsteller und Musiker aktiv. Er war Gründer der Aktionstheatergruppe „theatre du pain“ und hat eine große Nähe zur Absurdität und zum magischen Realismus. Als Regisseur ist er seit den 90er-Jahren auf große Freiluft-Projekte spezialisiert (u.a. Kreuzweg Asyl, Little Nemo in Slumberland, Bremer Höllen, Große Freiheit Vegesack, Domfestspiele Verden, Inszenierung von Gebäuden und Gelände; http://www.hanskoenig.net/). Er hatte verschiedene Stückaufträge für Theaterprojekte in Deutschland, arbeitet darüber hinaus als Dozent für Regie und Schauspiel sowie Kulturmanagement. Auch er lebt mit seiner Familie in Bremen.

Gemeinsam haben Frau Witt und Herr König 2013 das Theaterstück

Steile Welle.
Ein Solo-Theaterstück über Fallsucht und Sehnsucht
mit Schauspiel, Objektspiel und Musik

entwickelt und geschrieben. Frau Witt war für das Spiel zuständig, Herr König war Komponist der Musik und Regisseur

„Steile Welle“ entstand in Kooperation mit dem Diakoniekrankenhaus Rothenburg und dem Gesundheitsladen Bremen e.V., gefördert wurde es vom Diakonischen Werk der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover e.V. und der Aktion Mensch. Der Uraufführung am 6. Juni 2013 in Bremen folgten inzwischen deutschlandweit über 20 weitere Darbietungen.

Das Stück greift auf bislang einzigartige Weise das Thema Krankheit am Beispiel der Epilepsie auf. Inhaltlich hat es sehr viel zu bieten: Eigenes Erleben der Erkrankung, ein gut vermitteltes Epilepsiekonzept, Erfahrungen - positive wie negative - mit der Behandlung, ambivalente Gefühle zu Behandlungsmöglichkeiten, eigene Versuche sich gegen die Anfälle zu wehren, Erfahrungen in der Selbsthilfegruppe und in der Familie sowie weitere Aspekte. Und obwohl diese vielen Themen nur angerissen werden können, erfolgt dies dennoch oftmals mit einer unglaublichen Tiefe.

Da viele Menschen mit Epilepsie berichten, dass die sozialen Auswirkungen der Krankheit die Einschränkungen durch die Anfälle überwiegen, ist die Bedeutung des Theaterstücks auch in Zusammenhang mit therapeutischen Prozessen sehr groß. Sie zeigt sich hier in einer sehr selbstbewussten, beispielhaften  Auseinandersetzung mit der eigenen Krankheit, die ein klares Plädoyer dafür ist, sie weder abzulehnen noch zu tabuisieren, sondern sie anzunehmen und einen eigenen selbstbewussten Weg damit zu finden.

Das Stück bewältigt den Spagat zwischen sachlicher und anschaulicher Information, persönlichen Inhalten, Erlebnissen und Bewertungen, biographischen Elementen, „Dramatik“ und Humor in hervorragender Art und Weise. So gibt es beispielsweise eine Szene, in der die Schauspielerin als „Nervenzelle“ die klatscht, das Publikum als „angrenzende Nervenzellen“ zum Mitklatschen bewegt, was dann den Anfall in Form von andauernden Verbeugungen auslöst. Mit persönlichem Betroffensein, Schwierigkeiten im Umgang mit der Erkrankung, Arzt-Patientin-Beziehung, Selbsthilfe und sozialem Umfeld werden sehr viele Komponenten dargestellt, die im Leben mit einer Epilepsie eine Rolle spielen.

Mit zum Teil geradezu provokativer Offenheit werden die bitteren, unangenehmen, traurigen aber auch komischen und letztendlich stärkenden Aspekte einer aktiven Auseinandersetzung mit Krankheit dargestellt. Als Zuschauer erlebt man ein Wechselbad der Gefühle, ausgehend von Verwunderung über Erschrecken und stellenweise auch Ekel, oft weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Dennoch wird ein hoffnungsvolles Ende präsentiert, das darin besteht, einen eigenen Weg mit der Erkrankung zu suchen und zu finden.

Das Einfrauenstück sprüht im wahrsten Sinne des Wortes von akustischen, sprachlichen und visuellen kreativen und didaktischen Höhenflügen. Sprache, Gesang, Musik und Darstellung bilden eine Einheit, die den Betrachter fesselt und bis zum Schluss nicht loslässt. Komödiantische Einlagen und tiefsinnige Ernsthaftigkeit wechseln sich ab. Es ist eine professionelle Initiative, aber angesichts der Tatsache, dass Frau Witt selbst seit mehr als 25 Jahren Epilepsie hat, ist es gelebtes Empowerment. Auf der Bühne präsentiert Frau Witt neben ihren Stärken als Schauspielerin auch ihre verletzliche Seite als „Epileptikerin“.

Über das Medium Theater kann das Thema Epilepsie auch Menschen außerhalb des behandlungs- oder erkrankungsbezogenen Informationssettings ansprechen, also in der Freizeit, im „Vergnügen“. Es erreicht damit auch Menschen, die gegebenenfalls nicht direkt von dem Thema betroffen sind und hat damit einen besonderen öffentlichkeitswirksamen Charakter. Auch Professionelle können von diesem fesselnden Theaterstück viel lernen.

Wir sind uns absolut sicher, dass Sibylle Ried ihre Freude an diesem Theaterstück zwischen Fallsucht und Sehnsucht gehabt hätte!

Herzlichen Glückwunsch!
Günter Krämer, auch im Namen von Ingrid Coban und Gerd Heinen

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